Von Havanna nach Rüti – Assistenzarzt Elvin Diaz

Unser Assistenzarzt Elvin Diaz erzählt, wieso in der Schweiz ist.

Unser Assistenzarzt Elvin Diaz stammt aus Honduras und hat in Havanna Medizin studiert. In der Schweiz gefällt es ihm sehr und er hat in der Hausarzttätigkeit seine Berufung gefunden.

Herr Diaz, wollten Sie schon immer Medizin studieren und Arzt werden?

Schon als Kind habe ich mich gefreut, wenn ich meine Mutter und Grossmutter zu Arztterminen begleiten konnte. Ich fand es immer spannend mich in der Arztpraxis aufzuhalten.

In der Sekundarschule interessierte ich mich eher für das Tanzen und die Musik. Später habe ich dann ein Studium als Ingenieur begonnen, hauptsächlich weil das für mein Vater ein Traumberuf war. Ich dachte wieso nicht?

Mit der Zeit merkte ich aber, dass die Tätigkeit als Ingenieur wohl doch nicht das Richtige für mich ist. Ich wollte Menschen helfen. Auch fand ich das, was meine Medizin studierenden Freunde erzählten, extrem spannend war. So habe ich umgesattelt.

In Honduras, wo ich aufgewachsen bin, gibt es nur sehr wenige Studienplätze an der medizinischen Fakultät und ohne Stipendium ist das Studium teuer. Deshalb habe ich mich in anderen Ländern umgesehen. In Kuba habe ich schliesslich ein Stipendium erhalten.

Was sind die Unterschiede von Lateinamerika zur Schweiz?

In Kuba existiert ein gut strukturiertes Hausarztsystem. Jedes Quartier hat einen Hausarzt. Im Notfall stehen Polikliniken zur Verfügung, die ähnlich aufgebaut sind, wie die Praxis am Bahnhof. In Kuba ist natürlich alles staatlich geregelt.
Insofern ist die Situation in Kuba ähnlich wie in der Schweiz. Das Gesundheitssystem funktioniert gut und die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist gewährleistet.

In Honduras sieht die Situation anders aus. Die regionale Versorgung ist nicht überall gewährleistet und über 80% der Bevölkerung sind nicht krankenversichert. Ganz anders als in Kuba, lassen sich jene, die es sich leisten können in teuren Privatpraxen behandeln. Grosse Teile der Bevölkerung können dies nicht bezahlen.

Erst als ich hierher kam, habe ich gemerkt, was mir in der Chirurgie gefehlt hatte: Der Kontakt mit den Patienten.

Warum sind Sie in die Schweiz gekommen?

In Honduras muss man als Ausländer den Facharzt selber finanzieren. Das hätte meine finanziellen Möglichkeiten überschritten.

Also habe ich ein Land gesucht, in dem ich meine Facharzt-Ausbildung machen kann. Spanien lag wegen der Sprache nahe. Ich habe dort ein paar Monate in einem Altersheim gearbeitet. Es stellte sich aber heraus, dass die Erlangung des Facharzttitels in Spanien sehr kompliziert ist.

Von Freunden erfuhr ich, dass es in der Schweiz einfacher möglich ist, Facharzt zu werden, wenn man die Sprache lernt. So bin ich hier gelandet.

Wie ist das, wenn man zum ersten Mal als Arzt vor einem Patienten steht?

Dies geschieht, wenn man die erste Stelle als Assistenzarzt antritt. Davor ist man Unterassistent und trägt noch nicht die volle Verantwortung. Auf der einen Seite war ich darum etwas nervös. Auf der anderen Seite habe ich mich sehr gefreut, mein jahrelang erlerntes medizinisches Wissen endlich anzuwenden!

Man hört immer wieder, die Assistenzärzte seien schlecht bezahlt und machten am meisten Überstunden im Krankenhaus. Wie schlimm ist es wirklich?

Ich finde den Lohn als Assistenzarzt in der Schweiz nicht so schlecht. Die meisten Überstunden fallen für das Berichteschreiben an. Als Assistenzarzt schreibt man sehr viele Rapporte, Ein- und Austritte oder sonstige Berichte.

Ich finde dieses Vorgehen einerseits gut, denn in Lateinamerika halten wir die Dokumentation sehr kurz. Das heisst, der nächste Arzt kennt die Krankengeschichte viel weniger genau, was die Qualität der Behandlung beeinträchtigt.

Was ich an der hierzulande detaillierten Erfassung kritisiere, ist das Ziel dahinter. Wir müssen sehr vieles für die Krankenkassen dokumentieren, was für die Behandlung nicht zwingend notwendig wäre. Diese Zeit würde ich lieber für den Austausch mit den Patienten verwenden.

Was ist anders daran in einer Praxis wie der Praxis am Bahnhof zu arbeiten als im Krankenhaus?

Der grösste Unterschied ist, dass es keine Nachtschicht und keine stationäre Abteilung gibt. Was mir an der Praxis sehr gut gefällt, ist dass ich die Erkrankung der Patienten von Anfang bis Ende begleiten kann.

Im Krankenhaus betreust du die Patienten und wenn sie nach Hause gehen, schickst du sie zur Kontrolle zum Hausarzt. Du begleitest den Patienten und den Krankheitsverlauf nicht bis ganz zum Schluss.

Auch der Kontakt mit den Patienten ist hier intensiver. Im Spital kommt dieser oft zu kurz.

Wissen Sie schon, welche Fachrichtung Sie einschlagen wollen?

Ich habe ein Jahr in der Chirurgie assistiert. Obwohl dies ein sehr spannendes Fach ist, habe ich mich nicht richtig wohlgefühlt. Ich wusste nicht recht wieso. Erst als ich hierher kam, habe ich gemerkt, was mir gefehlt hatte: Der Kontakt mit den Patienten. Darum weiss ich jetzt, dass mein Ziel die Arbeit als Hausarzt ist.

Was sind die grössten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Ich muss in kurzer Zeit die richtige Diagnose stellen und die korrekte Therapie verordnen. Das ist sicher die grösste Herausforderung. Die Zeit, welche die Krankenkassen pro Patient vorgeben, setzt uns Ärzte unter einen grossen Druck. Mir ist es sehr wichtig, trotzdem auf die Bedürfnisse meiner Patienten einzugehen und die Würde hoch zu achten.

Wir sagen in der Medizin 2×2
ist nicht gleich 4.

Was war die schönste oder lustigste Geschichte, die Sie je mit einem Patienten erlebten?

Wir hatten in der Chirurgie einen Patienten mit einem Darmverschluss. Der Oberarzt hat die Notfall-Operation durchgeführt und ich habe den Herrn danach auf der Station betreut. Bei seinem Austritt war er so dankbar, dass er zu Tränen gerührt war. Ich habe ihm zum Abschied die Hand zum Gruss gereicht, er aber hat mich aus lauter Dankbarkeit umarmt. Das hat mich sehr berührt.

Wann freuen Sie sich in Ihrem Beruf?

Wenn ich meinen Patienten zur Heilung verhelfen konnte oder es ihnen sonst besser geht. Ich versuche auch immer die psychosomatische Seite, also die nicht körperlichen Ursachen einer Erkrankung zu untersuchen und in die Behandlung mit ein zu beziehen.

Wann ärgern Sie sich in Ihrem Beruf?

Wir sagen in der Medizin 2×2 ist nicht gleich 4. Das bedeutet, auch wenn Frau Huber dieselben Symptome wie Frau Meier hat, ist nicht unbedingt dieselbe Therapie geeignet bzw. ist es dieselbe Krankheit. Ich ärgere mich, wenn ich nicht auf Anhieb herausfinde, was einem Patienten fehlt. Dann gehe ich nach Hause und wälze die Fachliteratur, bis ich herausgefunden habe, wo das Problem liegt.

Es gibt auch Leute, die nur vorbei kommen, um ein Arbeitszeugnis zu erhalten, obwohl sie kaum krank sind. Das ärgert mich und ist respektlos gegenüber denjenigen, die wirklich krank sind.

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